Versteinertes Paradies
Manuel Riberio, ein Münsteraner Architekt mit portugiesischen Wurzeln, hat die Besucher:innen des Places Festivals in seiner Virtual-Reality-Anwendung mit auf eine Reise durch eine alternative Version der Bochumer Straße genommen. Dieses virtuelle Abbild der Bochumer Straße hat er dabei nicht nur mit dem Rechner erstellt, sondern mit Hilfe der Gaussian-Splatting-Technologie eine 3D-Version des Quartiers mit Hilfe von realen Videoaufnahmen erstellt.
Die VR-Version der “Bochumer”, wie die Locals sagen, versprüht mit seinen kalkfarbenen Häusern links und rechts der Fahrbahn ein mediteranes Flair, so wie sich der Künstler es aus seiner eigenen Heimat kennt und sich die Heimat der ersten Genration von Zugewanderten vorstellt. Inspiration für sein Kunstwerk war sowohl die hohe Dynamik des Quartiers, die gleichzeitigen sozialen Schwierigkeiten und die sehr diverse Zusammensetzung der Bewohnerschaft.
Wo normalerweise die Straßenbahnschienen lang laufen, schlängelt sich ein blauer Fluss die Straße hinab – ihm können die Nutzer:innen folgen. An manchen Gebäuden finden sie interaktive Elemente, die tatsächlich zu einem kleinen Spiel in der virtuellen Realität einladen. Besucher:innen bekommen so die Möglichkeit, den Straßenzug sozusagen “auf Links” zu ziehen. Die Hinterhöfe rücken an die Straße, die Fassaden treten zurück – und in den Höfen der Bochumer Straße lassen sich dann fiktive Szenen immersiv in VR erkunden.
Gewächs aus Gelsen
Mit ihrem Augmented-Reality-Kunstwerk “Gewächs aus Gelsen”, das sich an der Idee des japanischen Wunschbaums orientiert, hat die Berline XR-Designerin Ines Hilz für das Places Festival ein interaktives Kunstwerk geschaffen, das analoge und digitale Elemente kombiniert. Inspiriert hat sie der Gestaltungswille der Menschen im Quartier und die gleichzeitige Fokussierung der Menschen auf die Zukunft, die sie bei Ihrem Besuch des Kreativquartiers im April wahrgenommen hat.
Die Besucher:innen können den digitalen Baum aktiv mitgestalten, indem sie ihre Wünsche und Ideen für die Stadt Gelsenkirchen mit Stift – ganz analog – auf eines der Blätter schreiben. Was ist dein Lieblingsort? Was fehlt dir in Gelsenkirchen? Was wünscht du dir für die Zukunft deiner Stadt? Diese und andere Fragen inspirieren die Besucher dazu, ihre persönlichen Zukunftswünsche auf die ausliegenden Blätter zu bannen. Anschließend wird das einzelne Blatt mit der Smartphone-Kamera digitalisiert und durch die Künstlerin an den digitalen Baum gehängt, der sich als digitale Skulptur in Augmented Reality in jedem beliebigen Raum bestaunen lässt.
Mit jedem Wunsch und jeder Idee wächst der Wunschbaum in AR ein Stückchen mehr. Zu sehen ist er aber nicht nur in AR, sondern auch auf einer eigenen Website. Damit ist der Baum als ein Stück Ückendorf nicht nur weltweit abrufbar – alle, die das kollektive Kunstwerk mitgestaltet haben, können ihren Wunsch und alle anderen Wünsche ebenso schnell und einfach mit der ganzen Welt teilen..
Die Website wird weiterhin online bleiben: Gewächs aus Gelsen
Unearthing the Tale
Der aus Japan stammende und im Saarland lebende Digital-Künstler Kazuki Taguchi präsentierte beim Places Festival ein Mapping-Experiment, bei dem drei Besucher:innen jeweils zum individuellen Projektor werden. Inhaltlich wurde Kazuki von den Erzählungen zu Fronleichnams-Prozessionen auf der Bochumer Straße inspiriert. Wie auch bei der traditionellen Prozession, geht es in seinem Kunstwerk mit dem Titel “Unearthing the Tale” darum, gemeinsam einen Weg zu gehen, die gleiche Richtung einzuschlagen.
Die drei Besucher:innen müssen dabei zusammenarbeiten und ihre jeweiligen Blickwinkel aneinander anpassen, um die ganze Projektion in all ihren Farben zu sehen. Jede:r von ihnen trägt einen Beamer auf den Kopf, mit dem sie das gleiche Bild – nur in unterschiedlichen Farben – auf die Wände projizieren. Mit dem Drehen des Kopfes verändert sich aber auch der Blickwinkel der jeweiligen Bilder. Eine besondere Rolle bei der Installation spielt der Vektion-Effekt, der die Immersion der im Grunde simplen AR-Anwendung verstärkt. Durch ihn entsteht der Eindruck, als würden sich die Teilnehmenden selbst durch die Bochumer Straße bewegen. So ist man gemeinsam auf dem Weg – wie es die Fronleichnams-Prozession vor vielen Jahrzehnten auch war.