Places 2024 - Rückblick

Das fünfte Places Festival war das größte Places Festival aller Zeiten: Ab dem 16. Mai zeigten sieben Teilveranstaltungen über das Gelsenkirchener Stadtgebiet verteilt das Neueste aus Virtual und Augmented Reality. Insgesamt zehn Tage lang boten sie virtuelle Erlebnisse. Am 25. Mai, dem Haupttag des Festivals, standen den Besucher:innen alle sieben Locations gleichzeitig offen. Das vielfältige Programm reichte von der virtuellen Reise durch europäische Fußballstadien über digitale Lösungen zur Demokratiestärkung bis zur Virtual-Reality-Oper.

Das auch in diesem Jahr wieder richtungsweisende Technologien und Technologie-Trends Teil des Places Festivals sein würden, machte die Ausstellung FeVR Pitches schon bei ihrer Eröffnung am 16. Mai (Donnerstag) klar. In der St. Joseph Kirche in Gelsenkirchen-Schalke warteten sechs europäische Fußballstadien von den Niederlanden bis nach Bosnien darauf, mit der VR-Brille entdeckt zu werden. Die originalgetreuen 3D-Nachbildungen sind durch den Einsatz des Gaussian Splattings entstanden. Diese Rendering-Technologie macht es möglich, virtuelle Abbilder von realen Orten nur auf Grundlage von Bild- und Videomaterial zu erstellen. Die FeVR Pitches avancierten fast schon zum Publikumsliebling. Die Ausstellung zog hunderte fußball- und technikbegeisterte Menschen in die St. Joseph Kirche. FeVR Pitches war Teil des offiziellen Kunst- und Kulturprogramms zur UEFA EURO 2024.

Am 21. Mai (Dienstag) öffnete der nächste Spielort seine Türen. Die Ausstellung Tech for Good entführte die Besucher:innen in XR-Welten, die auf die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN einzahlen – und das mitten in der Gelsenkirchener Innenstadt. Im alten Colosseum, einem verlassenen Textilgeschäft, konnten sie mit der VR-Brille unter anderem ein virtuelles Korallenriff erforschen, oder durch AR-Anwendungen auf Tablets die alte Ladenfläche in ein Biotop verwandeln. Bei der offiziellen Eröffnung gab Entrepreneurin Melusine Reimers eine kurze Einführung zu den Nachhaltigkeitszielen der UN und zeigte, wie Gründer:innen sie immer öfter zum Mittelpunkt ihrer Geschäftsideen machen.

Quasi direkt nebenan im Bahnhofcenter feierte einen Tag später (Mittwoch) das Stück Am Ende der Welt vom MiR.LAB (Musiktheater im Revier) im Rahmen des Places Festivals Premiere. Das begehbare Sci-Fi XR Kammer-Musiktheater entführte die Zuschauenden in 15 Vorstellungen für jeweils 45 Minuten mit VR-Brille in ein dystopisches Zukunftsszenario des Jahres 2032.

Am 25. Mai (Samstag) wurden dann in der Heilig-Kreuz-Kirche in Gelsenkirchen-Ückendorf Werte im Kontext von XR in den Blick genommen. Der Programmpunkt XR for the People of Europe stellte die Frage, wie AR und VR europäische Werte und Demokratie stärken können. Praktische Antworten lieferten die sieben Anwendungen, die die Besucher:innen ausgiebig testen konnten. Die belgische Digitalkünstlerin Laurien Michiels präsentierte ihre virtuelle Fabel “The Room of Resonance”, die sich mit der Frage auseinandersetzt, wie Soziale Medien unsere Wahrnehmung von der Welt formen. Auf der Bühne der Heilig-Kreuz-Kirche fanden diverse Vorträge und Diskussionsrunden statt, die Einblicke in neueste Technologien und Trends gaben. Höhepunkt war der finale Panel-Talk am Samstagabend. Zwei Stunden lang diskutierten Expert:innen aus der europäischen XR-Szene und Politik, wie sich Europa selbst als Technologie-Standort und seine Werte in virtuellen Welten besser positionieren kann.

Direkt nebenan im mxr lab konnten die Besucher:innen die Arbeiten der Places Residency erleben. Sie stammten von den drei internationalen Digital-Künstler:innen Kazuki Taguchi, Ines Hilz und Manuel Ribeiro. Zuvor wohnten und lebten die drei als Artists in Residence eine Woche im Kreativ.Quartier Ückendorf. Auf Grundlage ihrer Erfahrungen erstellten sie die Anwendungen, die virtuelle und physische Realitäten des Stadtviertels um die Bochumer Straße miteinander verknüpften. Ihre Kunstwerke präsentierten sie im Rahmen des Places Festivals der Öffentlichkeit.

Wer wissen wollte, wie er selbst mit digitalen Tools arbeiten kann, war wenige Meter weiter im ℅ Raum für Kooperation richtig. In vier Workshops hatten Anfänger:innen und Fortgeschrittene die Möglichkeit, ihr Wissen in den Bereichen XR, KI und Game Design zu vertiefen. Beim Workshop “AR selbstgemacht” zeigte Conrad Dreyer vom KreativInstitut.OWL den Teilnehmer:innen, wie sie mit Open-Source-Werkzeugen eine AR-Anwendung erstellen. Im praktischen Teil stand er ihnen mit Rat und Tat zur Seite.

Beim finalen Panel-Talk resümierte die in Wien lebende XR-Entrepreneurin Gabriella Chihan Stanley: “Es bringt nichts, wenn man spektakuläre Technologien entwickelt, die nur für die Macherinnen und Macher spektakulär bleiben. Sie muss die Herzen der Menschen erreichen und ihnen einen Mehrwert bieten. Und dazu müssen Menschen Technologien verstehen können.” Diese Gelegenheit bot auch in diesem Jahr wieder das Places Festival.

Rewatch unser Panel: XR Together in Europe


Versteinertes Paradies

Manuel Riberio, ein Münsteraner Architekt mit portugiesischen Wurzeln, hat die Besucher:innen des Places Festivals in seiner Virtual-Reality-Anwendung mit auf eine Reise durch eine alternative Version der Bochumer Straße genommen. Dieses virtuelle Abbild der Bochumer Straße hat er dabei nicht nur mit dem Rechner erstellt, sondern mit Hilfe der Gaussian-Splatting-Technologie eine 3D-Version des Quartiers mit Hilfe von realen Videoaufnahmen erstellt. 

Die VR-Version der “Bochumer”, wie die Locals sagen, versprüht mit seinen kalkfarbenen Häusern links und rechts der Fahrbahn ein mediteranes Flair, so wie sich der Künstler es aus seiner eigenen Heimat kennt und sich die Heimat der ersten Genration von Zugewanderten vorstellt. Inspiration für sein Kunstwerk war sowohl die hohe Dynamik des Quartiers, die gleichzeitigen sozialen Schwierigkeiten und die sehr diverse Zusammensetzung der Bewohnerschaft.

Wo normalerweise die Straßenbahnschienen lang laufen, schlängelt sich ein blauer Fluss die Straße hinab – ihm können die Nutzer:innen folgen. An manchen Gebäuden finden sie interaktive Elemente, die tatsächlich zu einem kleinen Spiel in der virtuellen Realität einladen. Besucher:innen bekommen so die Möglichkeit, den Straßenzug sozusagen “auf Links” zu ziehen. Die Hinterhöfe rücken an die Straße, die Fassaden treten zurück – und in den Höfen der Bochumer Straße lassen sich dann fiktive Szenen immersiv in VR erkunden.


Gewächs aus Gelsen

Mit ihrem Augmented-Reality-Kunstwerk “Gewächs aus Gelsen”, das sich an der Idee des japanischen Wunschbaums orientiert, hat die Berline XR-Designerin Ines Hilz für das Places Festival ein interaktives Kunstwerk geschaffen, das analoge und digitale Elemente kombiniert. Inspiriert hat sie der Gestaltungswille der Menschen im Quartier und die gleichzeitige Fokussierung der Menschen auf die Zukunft, die sie bei Ihrem Besuch des Kreativquartiers im April wahrgenommen hat. 

Die Besucher:innen können den digitalen Baum aktiv mitgestalten, indem sie ihre Wünsche und Ideen für die Stadt Gelsenkirchen mit Stift – ganz analog – auf eines der Blätter schreiben. Was ist dein Lieblingsort? Was fehlt dir in Gelsenkirchen?  Was wünscht du dir für die Zukunft deiner Stadt? Diese und andere Fragen inspirieren die Besucher dazu, ihre persönlichen Zukunftswünsche auf die ausliegenden Blätter zu bannen. Anschließend wird das einzelne Blatt mit der Smartphone-Kamera digitalisiert und durch die Künstlerin an den digitalen Baum gehängt, der sich als digitale Skulptur in Augmented Reality in jedem beliebigen Raum bestaunen lässt. 

Mit jedem Wunsch und jeder Idee wächst der Wunschbaum in AR ein Stückchen mehr. Zu sehen ist er aber nicht nur in AR, sondern auch auf einer eigenen Website. Damit ist der Baum als ein Stück Ückendorf nicht nur weltweit abrufbar – alle, die das kollektive Kunstwerk mitgestaltet haben, können ihren Wunsch und alle anderen Wünsche ebenso schnell und einfach mit der ganzen Welt teilen..

Die Website wird weiterhin online bleiben: Gewächs aus Gelsen


Unearthing the Tale

Der aus Japan stammende und im Saarland lebende Digital-Künstler Kazuki Taguchi präsentierte beim Places Festival ein Mapping-Experiment, bei dem drei Besucher:innen jeweils zum individuellen Projektor werden. Inhaltlich wurde Kazuki von den Erzählungen zu Fronleichnams-Prozessionen auf der Bochumer Straße inspiriert. Wie auch bei der traditionellen Prozession, geht es in seinem Kunstwerk mit dem Titel “Unearthing the Tale” darum, gemeinsam einen Weg zu gehen, die gleiche Richtung einzuschlagen.

Die drei Besucher:innen müssen dabei zusammenarbeiten und ihre jeweiligen Blickwinkel aneinander anpassen, um die ganze Projektion in all ihren Farben zu sehen. Jede:r von ihnen trägt einen Beamer auf den Kopf, mit dem sie das gleiche Bild – nur in unterschiedlichen Farben – auf die Wände projizieren. Mit dem Drehen des Kopfes verändert sich aber auch der Blickwinkel der jeweiligen Bilder. Eine besondere Rolle bei der Installation spielt der Vektion-Effekt, der die Immersion der im Grunde simplen AR-Anwendung verstärkt. Durch ihn entsteht der Eindruck, als würden sich die Teilnehmenden selbst durch die Bochumer Straße bewegen. So ist man gemeinsam auf dem Weg – wie es die Fronleichnams-Prozession vor vielen Jahrzehnten auch war.